Moin, ich bin Tina Bolte, die Inhaberin. 2015 habe ich die Leitung des Familien-unternehmens von meinem Vater übernommen. Mein Mann Björn und ich sind nun schon die vierte Generation, die im Friesenhof am Werk ist.

Mit meinen beiden Schwestern hatte ich eine unvergleichliche Hotel-Kindheit. Besonders toll waren die Winter, wenn das Hotel geschlossen war und wir das ganze Haus zum Spielplatz machten. Können Sie sich vorstellen, wie herrlich man in den leeren Zimmern Verstecken spielen konnte? Oder wie gut es sich in einer Plastikwanne auf der breiten Treppe nach unten ins Foyer sausen lässt? Das mache ich im Winter übrigens immer noch, mit meinem Sohn Pepe – aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen…

Unser Hotel kennt man. Es ist fast schon so alt wie das „Seebad“ Juist. Der Bau wurde 1901 von einem Norder Kaufleutekonsortium fertig-gestellt und von meiner Familie ab 1920 stets in unserem Stil geführt. Hotel Friesenhof auf Juist, das sind wir, die Stammfamilie Peters. Aber es ist nicht nur für uns das zu Hause, sondern auch das Urlaubs zuhause unserer Gäste. Deren Familien waren zum Teil schon bei uns zu Gast, als meine Urgroßeltern den Friesenhof führten und sie verbringen seither, Generation für Generation, ihre Ferien bei uns. Sie mögen den einzigartigen Charakter unseres Hotels, die Eleganz, die zugleich familiäre Atmosphäre, die Lage mitten im Ort, die Nähe zum Strand und – das ist einer der wichtigsten Faktoren – die ständige Anpassung an die Moderne. Bereits in den 1930ern wurde eine vollelektrische Großküche installiert, die erste auf Juist, um nur ein Beispiel zu nennen.

Schon als der Friesenhof eröffnet wurde, war er ein sehr großzügig angelegtes Haus mit Aufenthaltsräumen, Salons und Saal, der für Veranstaltungen und natürlich als Restaurant diente. Verschiedene Hoteldirektoren leiteten den Friesenhof, doch zu Beginn des ersten Weltkrieges wurde auch Juist zum militärischen Sperrgebiet. Somit durften keine Badegäste mehr herkommen und der Hotelbetrieb musste schließen. Hier nun betritt mein Urgroßvater, Harm Peters, die Bühne, die zu unserem Leben werden sollte. Er hatte von 1902 bis 1904 in Berlin beim 2. Garderegiment gedient und lange das Offizierscasino geleitet. Er war sicher sein Glück auch später in der Gastronomie zu finden. In Zeiten des Aufbruchs zu Beginn der „Golden Twenties“, als alles möglich zu sein schien, da kam für ihn die Gelegenheit, in die Hotelleitung des Friesenhofs einzusteigen. Kaum auf der Insel angekommen lernte er meine wunderbare Urgroßmutter Ella Freese aus dem Hotel Fresena kennen. Sie verliebten sich und bereits 1922 wurde geheiratet. Ella und Harm waren das, was man heute als Powerpaar bezeichnen würde. Anfängliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung ihrer Vison von einem repräsentablen Hotel wurden durch die Auszahlung der ungeliebten Kompagnonfamilie Mus-Dehling beseitigt. Der dringende Ausbau des Hauses konnte beginnen, denn der Friesenhof war bis dahin noch ohne fließendes Wasser, ohne elektrische Beleuchtung und weitestgehend ohne Heizung. Auch war die Bettenkapazität viel zu gering, ein Anbau an der Nordseite behob 1928 dieses Manko. Damals wurde Platz für einen Aufzug einkalkuliert, obwohl dieser erst 1932 eingebaut werden konnte. Später wurden im Erdgeschoss zwei Ladenlokale erstellt. Eines pachtete der Friseur Haars, daneben eröffnete ein Kolonialwarenladen. Die Insel erlebte einen stetigen Aufwärtstrend. Doch mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges war dieser zunächst vorbei. Auf Juist mussten alle Betriebe schließen. Gott sei Dank blieb der Friesenhof bei den Bombenabwürfen der Alliierten verschont, und so wurden nach dem Krieg viele Flüchtlinge in das große Haus einquartiert. Ende 1946, der Badebetrieb war seit sechs Monaten wieder frei gegeben, lebten auf der Insel 838 Juister, 81 Evakuierte und 590 Flüchtlinge, wovon einige auf Juist eine neue Heimat fanden. Es hätte wieder voran gehen können, doch im Frühsommer 1947 beschlagnahmten die Engländer das Hotel samt Inventar. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde ausgeräumt und auf das Festland geschafft. Mit wenigen, von Privat zusammengesammelten Möbeln, konnte nur ein Minibetrieb aufrechterhalten werden, während der ungenutzte Teil des Hotels in den Jahren 1947/48 an das Hilfswerk aus Bethel/Bielefeld verpachtet wurde.

Doch meine Urgroßeltern haben sich nie unterkriegen lassen und konnten bereits im Jahr darauf durch gute Beziehungen neues Mobiliar anschaffen, sodass Pfingsten die ersten Gäste begrüßt wurden. Lebhafte, intensive Jahre folgten. Es gab zweimal wöchentlich Tanzabende mit einer Musikkapelle, denn der Friesenhof war zu einem der „Hotspots“ von Juist avanciert. Dieser Status bestätigte sich über die Jahre. Meine Großeltern, inzwischen in die Geschäftsleitung eingetreten, erfüllten sich zusammen mit meinen Urgroßeltern 1963 den lang gehegten Wunsch nach einem zweiten Anbau. Das Hotel bekam so die ersten Zimmer mit eigenem Bad und WC. Nach und nach wurde in den Folgejahren das gesamte Hotel mit dem angestrebten Standard versehen. Seit Winter 2000/2001 gibt es auf dem ehemaligen Grundstück von Foto Brunke einen neuerlichen Anbau. Im Dachgeschoss befindet sich unsere großzügige Saunalandschaft mit herrlichem Blick über Juist und das Wattenmeer. In der zweiten Etage konnte seinerzeit die erste Hotel-Suite mit dem Namen „Lütje Hörn“ erstellt werden. Im Jahr 2005 dann haben wir das Haus Pirola erstanden, um es als Personal-unterkunft zu nutzen. Durch den Umzug der Mitarbeiter entstand im 1. Obergeschoss des Hotels die zweite Suite „Memmertsand“.

Ich bin ja auf der Insel groß geworden. Diesem riesigen Sandkasten, wo wir Kinder spielen konnten, wo es uns gerade einfiel, wo jeder uns kannte und wo es nur eine feste Regel gab: Abends mit dem Läuten der Kirchenglocken um sechs Uhr wieder zu Hause zu sein. Das gilt für unsere Inselkinder heute auch noch. Natürlich wurde mir die Insel als Teenie zu klein, denn im Sand spielen war nicht mehr so spannend. Ich sah mich einfach nicht in der Gastronomie. Also ging ich „nach Deutschland“ zur Kunstschule in Düsseldorf, um technische Zeichnerin zu werden. Doch mir wurde immer klarer, dass die Gastronomie doch mein Ding ist. Wie hatte ich daran je zweifeln können? Im schicken Seehotel Fährhaus in Bad Zwischenahn machte ich dann meine Ausbildung. Damit fertig, hatte ich vom Hotel Atlantic in Hamburg gehört, wo Udo Lindenberg wohnt. Also absolvierte ich meine beiden ersten Gesellenjahre dort, hab dann einiges ausprobiert: in Cafés gearbeitet oder kleinen Restaurants. Schließlich rief mich das Abenteuer: Ich wollte zur See fahren. Das habe ich dann auch gemacht, auf Kreuzfahrtschiffen wie der MS Hanseatic. Dass ich dort auf dem Schiff, mitten in der Antarktis, meinen späteren Mann Björn Bolte traf, ist für mich heute noch unfassbar. Er war auch irgendwie auf dem Meer und im Gastrobereich gelandet und kümmerte sich als Proviantmeister erfolgreich um die Versorgung von Passagieren und Mannschaft.

Es vergingen noch ein paar Jahre auf (geografischen) Umwegen, bis der Mai 2009 große Freude brachte, denn mit meinem Sohn Pepe kam die nächste Generation unserer Hoteliersfamilie zur Welt. Das war für Björn und mich der richtige Zeitpunkt, pünktlich zu Oma Bärbels 80. Geburtstag am 23. November, nach Juist zu kommen und in den Hotelbetrieb einzusteigen. Die Saison 2012 punktete mit zwei weiteren Neuheiten, in der ersten Etage entstand unsere Wellness-Suite und im Haus Pirola eröffneten wir den etwas frechen, unkonventionellen „Ableger“ des Friesenhofs, unsere Küchenwerkstatt. Es begann schon mit der Einrichtung, da die Möbellieferanten und angeheuerten Innenarchitekten uns wenige Tage vor der Eröffnung einfach drauf setzten. Doch aus der Verzweiflung heraus entstehen manchmal die besten Ideen. Diese führte uns in die Keller und Abstellräume des Hotels und auf den Speicher von Haus Pirola, wo sich noch längst vergessene Möbel, Geschirr, Bilder und Deko fanden – am Ende fast das komplette Interieur der heutigen Küchenwerkstatt. Aus dem Notfallplan wurde ein Konzept, der ungewöhnlichen Stils dieses Restaurants. Hier leben wir unsere kulinarische Kreativität aus. Ungewöhnliche Gerichte, beispielsweise mit Zutaten aus nachhaltiger Zucht, die gerne völlig anders als sonst zusammengestellt sind und die mit Getränken kombiniert werden, die man andernorts auf Juist nicht findet.

Und auch im Friesenhof gab es wieder Neues, z. B. 2014, als das beliebte Hotelrestaurant in neuem Glanz erstrahlte, in eleganten Farben und mit Abzügen historischer Fotos im Großformat an allen Wänden. Oder das Schwimmbad, das im Winter 2014/2015 flugs gebaut wurde. Die Übergabe des Staffelstabes im Jahr 2015 brachte einige Aufregung. Ich übernahm von meinem Vater die Leitung des Hotels. Womit alle Aktivitäten, seien sie geschäftlicher, baulicher oder anderer innovativer Art jetzt in meinen und in den Händen meines Mannes liegen. Das ist viel Verantwortung und wir werden die Friesenhof-Peters-Tradition hochhalten und mit der Zeit gehen. Was auf gar keinen Fall bedeutet, dass wir jedem neuen Trend hinter-herlaufen, doch das Hotel ist so groß, dass ständig irgendwo irgendwas zu tun ist. Auch uns stehen aufregende und gute Zeiten bevor, vielleicht auch mal nicht so gute. Für meinen Mann, unseren Sohn und mich steht aber eines fest: Wir Boltes gehören genau hierher– nach Juist und in den Friesenhof, mit allem Drum und Dran!

Ihre

 

Tina Bolte